SAMSTAG, 17. DEZEMBER
Schleicher-Rede
im Zeichen von Hunger-Unruhen
Ein mißglückter Versuch, Volksvertrauen zu gewinnen
Völkischer Beobachter
Abbau der Terror-Verordnung
Keine Verlängerung des Republik-Schutzgesetzes
Vossische Zeitung
Eine verhasste Regierung, die gestürzt werden soll. Zu allem entschlossene Verschwörer. Waffen, die gehortet werden. Doch dann explodiert ihre Bombe zu früh. Die Verräter haben sich verraten.
Und so scheitert in Argentinien der Putsch gegen die Militärjunta. Zahlreiche Anhänger der »Unión Cívica Radical«, der radikalen Bürgerunion, die mit Gewalt wieder die Demokratie herbeizwingen
wollten, werden verhaftet, darunter zwei frühere Staatspräsidenten Argentiniens. Die Regierung in Buenos Aires verkündet den Belagerungszustand, Bürgerrechte werden massiv eingeschränkt.
Hier wehrt sich ein diktatorischer Staat gegen Terroristen, die die Freiheit suchen.
Am frühen Morgen greifen SA-Männer einen Straßenbahnschaffner aus Köpenick an, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ist, und verletzen ihn ernsthaft. Einer der Schläger hat vor kurzem noch selbst für die Berliner Verkehrsgesellschaft gearbeitet und wurde wegen des Streiks Anfang November entlassen. Bereits in der Nacht hatten Mitglieder der SA einen anderen Straßenbahner in Berlin überfallen. Mit lebensgefährlichen Schädelverletzungen hat man ihn ins Krankenhaus Weißensee eingeliefert.
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STILLE NACHT
Wilhelmstraße, Reichskanzlei. Kabinettsbesprechung um elf Uhr. Zunächst Organisatorisches. Die Minister werden ihren Weihnachtsurlaub ein wenig verschieben müssen. Ein weiteres Treffen ist notwendig, außerhalb der Planung. Darin soll es um die Landwirtschaft gehen. Als Termin setzt Schleicher den Nachmittag des 21. Dezember an. Keiner wird behaupten können, dass diese Regierung untätig sei.
Nun zu den wichtigen Themen! Arbeit schaffen, das hat Schleicher doch in seiner Rundfunkrede versprochen. Jetzt will er Fakten sprechen lassen. Der Kanzler stellt fest: Die wirksamste Unterstützung
für die Menschen sei nicht eine staatlich subventionierte Winterhilfe, sondern seien neue Arbeitsplätze für Erwerbslose. Und dabei soll ein Staatskonzern vorangehen. Doch nach den Informationen, die Schleicher vorliegen, lässt die Auftragsvergabe durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, die größte Auftraggeberin der öffentlichen Hand, zu wünschen übrig. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Einige Notverordnungen, die staatsbürgerliche Rechte eingeschränkt haben, werden zudem bald aufgehoben. Es geht um den inneren Frieden.
Empfindet Hindenburg dies als ganz persönlichen Dolchstoß? General Litzmann, der für die NSDAP in den Reichstag gewählt wurde und bei der Eröffnung des Parlaments den Reichspräsidenten bereits angegriffen hatte, legt nach. Kürzlich verkündete er, die Schlacht bei Tannenberg sei in Wahrheit sein Litzmanns-Sieg gewesen. Und Hindenburg müsse nun endlich Hitler zum Kanzler machen.
Schleicher hatte Litzmann in seiner Rundfunkansprache dafür scharf kritisiert. Das lässt der Weltkriegsveteran der NSDAP nicht auf sich sitzen. Gegenüber der nationalsozialistischen Presse sagt er, dass der Generalfeldmarschall die »schmerzlichste Enttäuschung« seines Lebens sei. Wenn es etwas gibt, das Hindenburg verachtet, dann illoyales Verhalten. Solche treulosen Männer sitzen im deutschen Reichstag, über solche Männer gebietet dieser ehemalige Gefreite namens Adolf Hitler.
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SAMSTAG, 17. DEZEMBER
In Karlsruhe konferieren die Nationalsozialisten aus Baden. Am Sams tagabend beginnt eine Führertagung, die bis zum Spätnachmittag des Sonntags dauern soll. Gauleiter Robert Wagner spricht zur Eröffnung »Es hat sich bei den Entscheidungen Adolf Hitlers bis jetzt immer gezeigt, dass sie richtig waren, wenn das der einzelne vielleicht auch erst nach einem halben Jahr verstanden hat. Es ist auch nicht notwendig, dass jeder einzelne die Haltungen des Führers versteht, es ist dies sogar unmöglich, denn keiner kennt die Gründe, die zu diesen Entscheidungen geführt haben - aber es ist notwendig, dass jeder einzelne das unerschütterliche Vertrauen zum Führer hat!«
Durchhalteparolen. Treueschwüre. »Wenn der Gegner glaubt«, sagt Wagner, »Zwiespalt in diese Bewegung hineintragen zu können, so sa gen wir ihm: Unsere Bewegung hört nur auf den, der sie gegründet und zur stärksten politischen Partei Deutschlands gemacht hat."
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