DIENSTAG, 13. DEZEMBER
Deutscher Aktionsplan für Genf
Sicherheit, Abrüstung, Umgestaltung der Reichswehr
Vossische Zeitung
Entweder die Macht oder den Kampf!
Die kompromissfreie Politik des Führers findet auf den
Amtswaltertagungen der Gaue Schlesien und Sachsen
stürmischen Widerhall
Völkischer Beobachter
Morgens um zehn Uhr eröffnet die erste »Braune Weihnachtsmesse« am Lehrter Bahnhof. Ehrensache für überzeugte Nationalsozialisten, hier die Geschenke für ihre Liebsten zu kaufen. Bis abends um
zehn Uhr hat die Messe die nächsten drei Tage geöffnet, von sechs bis sieben Uhr spielt die Kapelle Fuhsel Militär-Musik. Der Eintritt kostet
25 Pfennige, Erwerbslose und Kinder bezahlen 10 Pfennige.
General Franz von Hörauf, Leiter des NSDAP-Wehramts im Braunen Haus in München, schreibt an Kronprinz Wilhelm - und diesen Brief bekommt auch Schleicher zu lesen.
»Nach meiner gestrigen mehr als zweistündigen Aussprache allein mit Frick«, teilt Hörauf mit, »steht für mich fest, dass er in extremis mit Strasser geht. Gregor Strasser ist nun doch weiter gereist, er telefonierte heute Abend aus Rom. Am Weihnachtsabend will er der Kinder wegen zurück sein.« Wie entwickeln sich die Dinge nun bei den Nationalsozialisten? Franz von Hörauf hat darüber nachgedacht. Auch darüber, wie Hitler noch aufgehalten werden kann: Gregor Strasser müsste nun hervortreten und die Bewegung unter seiner Führung sammeln. Dann
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DER PLAN
müsste Hitler die NSDAP spalten und nicht Strasser. Und er schließe mit dem Angebot, als Mittelsmann aufzutreten: »Wenn Eure Kaiserliche Hohelt oder Herr von Schleicher etwas aktuell an Gregor Strasse
mitzuteilen haben, so kann ich das jederzeit tun.«
Bella Fromm berichtet in den Berliner Diplomaten über einen Empfang des amerikanischen Botschafterpaares, Mrs Sackett, eine Dame von großer Vornehmheit, lud in die Villa in der Margarethenstraße 19. Fast alle Botschafter und Konsuls kamen, dazu hochrangiges Personal aus dem Auswärtigen Amt. Freifrau von Neurath, die Gemahlin des Außenministers, gehörte zu den Gästen, ebenso die Ehefrau von Staatssekretär Meissner. Auch Spitzenoffiziere besuchten die Feier, darunter General Hammerstein und Oberst Bredow.
Diesen Bredow mag Bella Fromm, nicht nur, weil sie ohnehin eine Schwäche für Offiziere der Reichswehr hat. Er ist ein alter Freund, tüchtig dazu. Sie trifft Bredow recht häufig, schließlich ist sie auch mit seinem Chef eng befreundet, mit Kurt von Schleicher. Und für den schwärmt die Journalistin geradezu. Diese unwiderstehliche Anziehungskraft. Ein weitblickender Mann, gelegentlich sehr sarkastisch, aber er hat eine wohlklingende Stimme - und sein Lachen erst. Schade nur, dass Schleicher, der ewige Junggeselle, im vergangenen Jahr geheiratet hat. Dennoch bleibt sein Kontakt mit Bella Fromm sehr vertraulich. Jederzeit müsse sie zu ihm durchgelassen werden, auch ohne Anmeldung - so lautet eine Anweisung des Generals. »Sie sind all die
Jahre hindurch mein treuer Kamerad gewesen«, sagt er einmal zu ihr und berührt sie dabei am Arm.
Eine Tagung der Gruppen- und Wehrkreisbefehlshaber der Reichs- wehr beginnt. Schleicher hält eine kurze Ansprache. Es sei weiterhin anzustreben, dass man die Mitarbeit der Nazis unter Strassers Führung erreicht. Wenn Hitler dazu nicht seinen Segen gebe, werde es eben Kampf geben. »Kein Kampf mit Mückenstichen!« ruft Schleicher. Er bleibt im Ungefähren, spricht aber von »Maßnahmen, wie die Nationalsozialisten sie auch anwenden würden, wenn sie könnten«.
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Die Offiziere sollten sich derweil nicht über Pressemeldungen wundern, dass den Nationalsozialisten ständig Regierungsämter angeboten würden: Man muss sie in Verantwortung nehmen, sagt Schleicher, um sie schlagen zu können. Wie sich der Kanzler vor der Elite seiner Offiziere äußert, dürfte Hitler schon bald erfahren. Er hat schließlich viele Anhänger in der Reichswehr. Schleicher weiß dies, natürlich. Leute wie er kommunizieren gern über Bande.
Goebbels ist noch in München. Dort trifft eine Neuigkeit aus Berlin ein. Endlich mal wieder ein Grund zur Freude. Der Angriff, sein liebstes Propagandawerkzeug, hat in einem Jahr gut 60000 Reichsmark Gewinn eingebracht. Damit wird sein Gau einen Großteil der Schulden bezahlen können.
Ein Rundschreiben des SPD-Vorstands listet Übergriffe von Nationalsozialisten auf: »In der Altmark herrscht noch immer der ausgeprägteste Naziterror. Besonders hervorstechend im letzten Wahlkampf was das Eindringen der Nazis in unsere Versammlungen. Überall erzwangen sie sich das Wort. Unsere Landarbeiter kollegen fürchten den Terror, der sich nicht zuletzt in Arbeitsentlassungen auswirken könnte,und lassen, wenn sie im eigenen Ort sind, alles über sich ergehen. Im anderen Falle ist unumgänglich mit Zusammenstößen zu rechnen, von denen wir in der Altmark fast täglich zu berichten hatten. Selbst unsere Funktionäre trauen sich kaum heraus, weil sie immer mit unerhörtestem Terror rechnen müssen.« Der SPD-Vorstand schlägt vor, den Saalschutz künftig mit eigenen Kräften zu verstärken.
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Bis Morgen als Ich dich alle wieder schreibe,
Gruss Gott,
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