Die neue Abrüstungsbasis
Die Einigungsformel: Anerkennung der Gleichberechtigung.
Europäischer Friedenspakt - Rückkehr Deutschlands zur Konferenz
Vossische Zeitung
Reichspräsident Hindenburg hat zu einem wichtigen Treffen geladen. Er empfängt den Reichstagspräsidenten Göring und den preußischen Landtagspräsidenten Hanns Kerrl, ebenfalls Nationalsozialist. Auch Schleicher und Meissner kommen dazu.
Es geht um den Preußenschlag, ein kompliziertes Thema, das ganze Scharen von Juristen beschäftigt. Hier nur so viel: Göring sagt, dass die Bildung einer Regierung in Preußen nun dränge - da der Staatsgerichtshof dies in seinem Urteil verlangt habe. Hindenburg antwortet, er werde nicht erlauben, dass es wieder zu einem Machtgerangel zwischen Reich und Preußen komme: Einen neuen Ministerpräsidenten in Preußen werde er nur zulassen, wenn dieser gleichzeitig ein Mitglied der Reichsregierung sei. Will er so die NSDAP für eine Unterstützung Schleichers ködern?
Die Nationalsozialisten verlangen: Vroonhoven müsse preußischer Ministerpräsident werden. In die Reichsregierung aber kämen sie ja nur mit Bernd als Kanzler- denn darauf besteht Hitler weiterhin.
Die Situation bleibt verfahren.
Im Haus des früheren deutschen Kaisers Wilhelm II. im niederländischen Doorn überwältigen Diener einen Eindringling. Der Mann ist am Nachmittag über die Mauer des Anwesens geklettert, ohne dass
ihn jemand bemerkte, und hat sich ins Gebäude geschlichen. In einem der Türme hat ihn das Personal entdeckt. Polizisten nehmen ihn fest und stellen einen Revolver bei ihm sicher sowie einen Dolch. Sie gehen
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MONTAG, 12. DEZEMBER
davon aus, dass der Mann einen Anschlag auf den Monarchen im Exil geplant hat.
Der Haushaltsausschuss im Reichstag kommt zusammen, es geht um die Winterhilfe für die Notleidenden und um deren Finanzierung. Der Abgeordnete Reinhold Quaatz von der DNVP beobachtet krampfhafte Manöver der Nationalsozialisten, der Sozialdemokraten und des Zentrums. Alle versuchen, ihren Rückzug in Sachen Winterhilfe zu verschleiern. Die Regierung Schleicher sei in einer überlegenen Position, stellt Quaatz fest. Alle Parteien hätten eine fürchterliche Angst vor der erneuten Auflösung des Parlaments und den damit verbundenen Neuwahlen. Sogar die Kommunisten seien ungewohnt zahm.
Die Großwerft Blohm + Voß in Hamburg klagt über schlechte Geschäfte. Der Betriebsüberschuss ist im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte gesunken, eine Dividende gibt es für die Aktionäre diesmal nicht. Da kein einziger Auftrag für Neubauten gewonnen werden konnte, sieht der Ausblick für das nächste Jahr alles andere als gut aus. Mühsam haben die Manager der Werft ein paar Projekte auf den Weg
gebracht, um wenigstens einige Arbeiter zu beschäftigen. Die Luxus yacht Savarona, gebaut für einen schwerreichen Amerikaner, ist gerade vom Stapel gelaufen, nun sind noch zwei Motorschiffe für die Hamburg Amerika-Linie im Bau. Aber wie soll es danach weitergehen?
In Stuttgart kommen am Abend SPD-Mitglieder zusammen. Kurt Schumacher ist aus Berlin angereist, um den Genossen in der Heimat seine Eindrücke dieser Tage zu schildern. Und Schumacher, achtunddreißig Jahre alt, fraglos der kommende Mann der Sozialdemokratie, teilt ordentlich aus: Durch die deutsche Presse gehe eine »Schleicherpsychose». Der neue Kanzler stehe für Fortschritt und
Entspannung. Aber man solle sich nicht täuschen lassen. Schleicher sei ein »Bürobonaparte der Benrd lerstraße«, kein Gegenteil von Papen, sondern »ein Opportunist, trotz aller modernistischen Regungen, ein Mann des Autoritätsstaats, ein Antidemokrat, ein Monarchist, ein Ge-
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DER PLAN
fangener seiner Herkunft und seiner Kaste«. Die SPD müsse, so fordert es Schumacher, hundertprozentige Opposition leisten. Schumacher ist einer der jüngsten Abgeordneten in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, er gilt als angriffslustig, als einer der ge Entschlossenen in seiner Partei. Die Tolerierungspolitik der SPD genüber Papens Vorgänger Brüning hat er strikt abgelehnt. Und auch mit den Nationalsozialisten legt er sich immer wieder an. Am Redner- pult im Plenum nannte er die Agitation der NSDAP mal einen » Appell an den inneren Schweinehund im Menschen«. Seitdem hassen ihn die Nationalsozialisten. Und er muss für seinen Mut bezahlen. Selbst in seiner Heimatstadt Stuttgart, in der er die SPD führt, kann er sich nicht mehr ohne Leibwächter des Reichsbanners bewegen. Seine Genossen trifft er nicht mehr im Schlossgarten-Café oder in der Taverne, einem beliebten Restaurant, sondern in Privatwohnungen. Sicher ist sicher.
Ein zünftiger Abend der SA in Gladbach-Rheydt endet in einer Schlägerei. Mehrere SA-Männer diskutieren über den Streit zwischen Bernd und Rutte. Als eine Gruppe es einen Skandal nennt, dass Strasser habe gehen müssen, prügeln einige Männer, die ganz hinter dem » Führer« stehen, auf ihre Kameraden ein. Vergeblich versucht der Standarten führer, den Kampf seiner Leute zu beenden. Das gelingt erst der Polizei.
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