
Heute 09 Dezember 1932
Goebbels verhöhnt Strasser
Vossische Zeitung
Wir verlangen das Lebensrecht des schaffenden
Volkes! Aufhebung der Papen-Notverordnung!
Der nationalsozialistische Vorstoß gegen die
unerträglichen Kürzungen der Renten und Löhne
Völkischer Beobachter
Am Morgen brummt das politische Berlin. Auf der Wilhelmstraße
rufen Zeitungsjungen eine Sensation aus: » Strasser übernimmt die NSDAP! « So schreibt die Tägliche Rundschau. Im Foyer des Kaiserhofs stehen die Menschen in Gruppen zusammen und diskutieren. Erregung liegt in der Luft. Umbruch.
Am Anhalter Bahnhof findet sich ein Schaffner, der gesehen haben will, dass Strasser den Zug nach München bestiegen habe. Was will Strasser in München?
Und da sage noch einer, der Reichstag sei nicht handlungsfähig: In dritter Lesung nimmt das Plenum das Gesetz an, das die Vertretung des Reichspräsidenten im Krankheitsfall neu regelt -nun tritt nicht
mehr der Reichskanzler, sondern der Präsident des Reichsgerichts an dessen Stelle. Auch dank der Stimmen der NSDAP wird die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit weit überschritten.
Den Gesetzentwurf zur Amnestie verabschieden die Parlamentarier
ebenfalls. Wird nun Carl von Ossietzky freikommen?
Der nationalsozialistische Abgeordnete Hans Frank hält eine Rede, in der er prophezeit: » Im übrigen wird Adolf Hitler in wenigen Wo-
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chen die Macht in Deutschland übernehmen.« Höhnisches Gelächter schallt ihm aus weiten Teilen des Plenums entgegen.
Abraham Plotkin trifft einen Landwirtschaftsberater der SPD und der Gewerkschaften zu einem langen Gespräch. Warum hungern so viele Deutsche?, fragt Plotkin, was läuft da falsch? Es wäre genug da, antwortet der Mann namens Bading. Das Problem ist, dass sich die Leute das Essen nicht mehr leisten können. Also verrottet es in den Lagerhallen.
Hitler zieht jetzt durch.
Im Bemühen, dem Auseinanderbrechen seiner Partei entgegenzuwirken, lässt er die Reichspressestelle der NSDAP verbreiten: » Parteigenosse Gregor Strasser tritt mit Genehmigung des Führers einen
Krankheitsurlaub von drei Wochen an. Alle weiteren daran geknüpften Gerüchte und Kombinationen sind unzutreffend und entbehren jeder Grundlage. « Der Machtbereich des Reichsorganisationsleiters
wird umgehend neu aufgeteilt. Hitler selbst übernimmt die Organisation, Goebbels leitet künftig das Ressort »Volksbildung« Strassers Verbündete werden ihrer Ämter enthoben. Und alle gerade in Berlin
anwesenden Gauleiter haben eine Treueerklärung zu unterschreiben. Keine Widerworte.
Zum Ende des Sitzungstages beschließt der Reichstag seine unbefristete Vertagung, bis Ältestenrat und Reichstagspräsidium ihn wiedereinberufen. Nur die SPD und die KPD stimmen dagegen.
Die Arbeit in den Ausschüssen geht zwar weiter, aber der Weihnachtsfrieden kann beginnen, fünfzehn Tage vor dem Fest. Kurt von Schleicher kommt dies sehr gelegen. Nun kann er seine Regierungserklärung im Rundfunk verlesen und muss sie nicht vorden Krawallmachern im Reichstag vortragen.
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DER PLAN
Im Palais des Reichstagspräsidenten, wo Hermann Göring logiert, versammeln sich am Abend die Reichstagsabgeordneten der NSDAP und andere Parteifunktionäre.
Hitler hält eine flammende Rede, über Strasser und gegen den Verrat« Wenn Sie mich aber verlassen wollen, so hat die Arbeit meines Lebens und der Kampf dafür keinen Sinn mehr, denn dann bricht die
Bewegung zusammen«, ruft er den Männern entgegen.
Jeder Funktionär gibt Adolf Hitler die Hand. Jeder von ihnen schwört dem »Führer« ihrer Partei die Treue. Inszenierter Zusammenhalt. Verordnete Loyalität.
Der Abgeordnete Hans Frank trifft am Abend seinen »Führer« im Hotel Kaiserhof. »Sie sind ein schlechter Jurist«, sagt Hitler, er spielt auf Franks Prophezeiung im Reichstag an, die NSDAP werde bald die Macht übernehmen. » Ihre Rede war heute nämlich zutreffend und wirklichkeitsnah. Bald ist geschehen.« Nach Hitlers Ansicht sagen Anwälte wohl selten die Wahrheit. Frank ist Hitlers Mann, wenn es um große, aufsehenerregende Prozesse geht er leitet die Rechtsabteilung der NSDAP.
Später verlässt Hitler die Hauptstadt, reist ab gen Breslau. Göring und Goebbels, so befiehlt er noch, sollen sich um diese Strasser-Affäre kümmern. Am Abend notiert Joseph Goebbels: » Strasser ist isoliert. Toter Mann. «
Doch öffentlich hat Hitler den Bruch mit Strasser noch nicht endgültig vollzogen. Wie so oft wartet er ab, schiebt eine unangenehme Entscheidung vor sich her. Vielleicht braucht er Gregor Strasser doch
noch einmal?
Und so endet dieser Tag. Der Tag, an dem die Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei nicht auseinanderbrach.
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Heute 09 Dezember 1932
Heute ist es..?
Aloise Ehemann von Eva Braun
Bernd Ehemann von Bea von Orange
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